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Postkolonialismus (Postcolonial Theory)


1 - Die methodische Seite des Postkolonialismus: Edward W. Said im Gefolge Michel Foucaults

Die methodische Seite des Postkolonialismus geht auf Edward W. Saids Buch „Orientalismus“ von 1978 zurück, das sogenannte „Gründungsmanifest“ des Postkolonialismus. In ihm stellte er folgende Thesen auf:


  • Der Orientalismus sei nicht einfach eine wissenschaftliche Fachdisziplin, sondern ein Geflecht von Interessen zur Beherrschung des Orients. Er äußere sich nicht nur in wissenschaftlichen, sondern auch künstlerischen und anderen Texten und Hervorbringungen, aber auch in Institutionen usw., er bilde also etwas - mit eigenem Wort ausgedrückt - wie einen Komplex.
  • Alles, was der Westen über den Orient hervorgebracht habe, sei lediglich Darstellung, nicht aber die Realität des Orients. Was die Dichter und Gelehrten des Westens über den Orient sagten und schrieben, solle im Wesentlichen bekunden, dass der Orientalist über dem Orient stehe.
  • Der Angehörige des westlichen Kulturkreises könne den Orient nur aus seiner Perspektive wahrnehmen und deshalb niemals ein zutreffendes Bild des Orients hervorbringen.
  • Es gebe keine objektive wissenschaftliche Darstellung des Orients im Westen oder durch einen Angehörigen des westlichen Kulturkreises. Es könne sie nicht geben, eben weil der Orientalismus als Rahmen setzender Komplex wirke.


Mit Foucault ist Said der Überzeugung, „dass der Mensch der Welt sein Wissen nicht abringt (durch Beobachtung, Theoriebildung und deren Überprüfung an der Wirklichkeit, Cu), sondern es ihr überstülpt. Das Wissen wandelt sich so von einem Instrument des Weltverstehens in eines der Weltbeherrschung, und Diskurse verwandeln sich in bloße Machtauseinandersetzungen.“ (Mathias Brodkorb: Das postkoloniale Narrativ, in: Cora Stephan (Hrsg): Deutsche Legenden. Wer schreibt unsere Geschichte? S. 76)

Said und damit der Postkolonialismus stehen nicht mehr in der Tradition von Aufklärung und Moderne, sondern gehören zur Postmoderne.

2 - Der Postkolonialismus vermischt marxistische Imperialismustheorien und Gewaltverherrlichung im Anschluss an Frantz Fanon und Jean- Paul Sartre mit postkolonialen methodischen Sichtweisen

und zwar als charakteristisches Ideengemisch, das von Autor zu Autor unterschiedlich aussehen kann. Es gibt aber nach „Matthias Brodkorb: Das postkoloniale Narrativ“ erkennbare

Leitideen

Leitidee Rassismus/ Humanismus: „Der Rassismus ist ein ausschließlich westliches, also weißes Phänomen und der Humanismus eine Märchenerzählung. um den weißen Rassismus zu bemänteln und zu legitimieren.“ (Brodbeck, Seite 73) 

Die Folge: Als die Briten die hinduistische Witwenverbrennung in Indien verboten, wird daraus in postkolonialer Sichtweise statt eines humanistischen Aktes ein Akt des Kolonialismus, weil die Briten westliche Vorstellungen auf hinduistische Verhältnisse in Indien anlegen.

Leitidee Sklaverei/ Kolonisierung: „Auch Sklaverei und Kolonialismus sind (bei Sartre und Fanon) ein ausschließliches Kind des weißen Westens.“ (Brodbeck, Seite 73) Wenn Sklavenhaltung durch Afrikaner zur Sprache kommt, ist sie nicht so schlimm wie europäische. Dass Afrika den Weißen im Zeitalter des Abolitionismus die Aufhebung der Sklaverei verdankt, wird nicht gewürdigt. „Der postkolonialistische Autor Mbembe behauptet ungeniert: "Der Schwarze sei vom Weißen zum ‚Ding‘, zum ‚Tier‘, zum ‚Nichts‘ erklärt worden, mit dem man machen könne, was man wolle.“ (S. 86)


Leitidee der schwarzen Unschuld: „Durch westlichen Rassismus, Humanismus, durch Kolonialismus und Sklaverei erscheint der ‚schwarze Mann‘ als Opfer und der ‚weiße Mann‘ als Täter." (Brodkorb, Seite 74)

3 - Viele einflussreiche Autoren mit nichteuropäischem Hintergrund


Viele einflussreiche postkolonialistische Autoren haben keinen europäischen Hintergrund. Dies und die Verquickung mit marxistischen Ideen erklärt ihre antieuropäische und antikapitalistische Stoßrichtung mit.  Den Rassismusvorwurf an den Westen geben Kritiker an die postkoloniale Theorie zurück.

4 Idee UND Aktion

Die postkoloniale Theorie sieht sich nicht als durchsichtige Ideologie, sondern als Wissenschaft und politischen Widerstand zugleich. Es handelt sich nicht um eine wissenschaftliche Schule, sondern um eine zugleich politische und ideologische Bewegung. Sie setzt sich ein für eine Vollendung der Dekolonisierung, politisch und gerade auch in den Köpfen. Eurozentrische Sichtweisen beherrschen ihr zufolge angeblich oder wirklich die eigene Identität der einst kolonial Beherrschten noch immer, die ehemaligen Kolonien seien damit nur politisch, nicht aber ideenmäßig befreit.

Siehe auch: Dekolonisierung | Kolonialismus




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