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Realismus (Kunstrichtung)

Der Realismus ist eine Gegenbewegung zum Klassizismus, der im folgenden Textauszug aus Georg Büchner: Lenz (Textauszug bei Projekt Gutenberg) als Idealismus bezeichnet wird, und zwar deshalb, weil er ideale Menschen darstellen will und weil er der Schönheit als Ideal nacheifern will. Was im Folgenden über Literatur gesagt wird, lässt sich 1:1 auf die bildenden Künste übertragen.

Der Realismus geht davon aus, dass die Realität insgesamt dargestellt werden müsse, auch in ihren hässlichen Seiten. Auch sozial geringer Hestellte müsdten zur Darstellung kommen. Die Realität  sei rundum darstellbar, weil von Gott erschaffen. Der Idealismus grenze Teile der Realität aus, seine idealen Figuren seien Holzpuppen, also nicht lebensecht, nicht lebendig, und könnten deshalb auch nicht berühren. Idealismus sei Verachtung der menschlichen Natur. Aufgabe der Kunst sei die treffendste Wiedergabe der „Natur“, also der Wirklichkeit.



Georg Büchner: Lenz (Textauszug)

„Über Tisch war Lenz wieder in guter Stimmung, man sprach von Literatur, er war auf seinem Gebiete; die idealistische Periode fing damals an, Kaufmann war ein Anhänger davon, Lenz widersprach heftig. Er sagte: Die Dichter, von denen man sage, sie geben die Wirklichkeit, hätten auch keine Ahnung davon, doch seien sie immer noch erträglicher, als die, welche die Wirklichkeit verklären wollten. Er sagte: Der liebe Gott hat die Welt wohl gemacht wie sie sein soll, und wir können wohl nicht was Besseres klecksen, unser einziges Bestreben soll sein, ihm ein wenig nachzuschaffen. Ich verlange in allem Leben, Möglichkeit des Daseins, und dann ist's gut; wir haben dann nicht zu fragen, ob es schön, ob es häßlich ist, das Gefühl, daß Was geschaffen sei, Leben habe, stehe über diesen Beiden, und sei das einzige Kriterium in Kunstsachen. Übrigens begegne es uns nur selten, in Shakespeare finden wir es und in den Volksliedern tönt es einem ganz, in Göthe manchmal entgegen. Alles Übrige kann man ins Feuer werfen. Die Leute können auch keinen Hundsstall zeichnen. Da wolle man idealistische Gestalten, aber Alles, was ich davon gesehen, sind Holzpuppen. Dieser Idealismus ist die schmählichste Verachtung der menschlichen Natur. Man versuche es einmal und senke sich in das Leben des Geringsten und gebe es wieder, in den Zuckungen, den Andeutungen, dem ganzen feinen, kaum bemerkten Mienenspiel. […]

Man muß die Menschheit lieben, um in das eigentümliche Wesen jedes einzudringen, es darf einem keiner zu gering, keiner zu häßlich sein, erst dann kann man sie verstehen; das unbedeutendste Gesicht macht einen tiefern Eindruck als die bloße Empfindung des Schönen, und man kann die Gestalten aus sich heraustreten lassen, ohne etwas vom Äußern hinein zu kopieren, wo einem kein Leben, keine Muskeln, kein Puls entgegen schwillt und pocht. Kaufmann warf ihm vor, daß er in der Wirklichkeit doch keine Typen für einen Apoll von Belvedere oder eine Raphaelische Madonna finden würde. Was liegt daran, versetzte er. […] Der Dichter und Bildende ist mir der Liebste, der mir die Natur am Wirklichsten gibt, so daß ich über seinem Gebild fühle, Alles Übrige stört mich.

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